A Selection from the Pascal Sterchi Papers
Ich beschäftige mich in meiner Arbeit mit den Unzulänglichkeiten des Archivs und betrachte Archivalien nicht als statische Relikte vermeintlich verlorener Ereignisse, sondern als «Prototypen», die reproduziert, recycelt, neu aufgefasst oder überarbeitet werden können.
Lange galt: «Archive sind Speicherorte von Wissen. Sie tragen dazu bei, Normen und Werte zu schaffen und zu erhalten. Beeinflusst von sozialen, kulturellen und politischen Kontexten, sind sie in die Machtdiskurse und Wissensproduktion eingebunden.» 1 Aktuell werden sie jedoch als fluide verstanden. 2 Sie umfassen Materielles wie Immaterielles. Da Archive fragmentarisch sind, führt dies unweigerlich zu Lücken und Ver- zerrungen in der Wiedergabe historischer Ereignisse. Nicht selten stehen hinter den offiziellen Aufzeichnungen oder dem archivierten Material andere Geschichten oder Realitäten, die nicht sofort oder gar nicht ersichtlich sind.
Mit A Selection from the Pascal Sterchi Papers setze ich mich kritisch mit dem Schwulenarchiv Schweiz auseinander und hinterfrage die im Archiv vorherrschenden Narrative. Diese erweitere ich aus einer selbstermächtigenden Sicht, gestützt auf die subjektive Wahrnehmung. Die ausgestellten Werke beschäftigen sich mit meiner Geschichte in ihrer subjektiven, politischen, emotionalen und symbolischen Komplexität. Inspiriert von Archivmaterialien beinhalten die Collagen Aspekte von Gender, Sexualität und Identität und handeln von Männlichkeiten, ihren Manierismen und Empfindungen. Die Arbeiten vereinen die künstlerische Perspektive mit historischen Elementen und Ereignissen aus unterschiedlichen Kontexten und Zeiten im Sinne einer Selbst-Historisierung.
1 MICHEL FOUCAULT, ARCHÄOLOGIE DES WISSENS, SUHRKAMP FRANKFURT AM MAIN (2018, 1969 1. AUSGABE FRZ.), S. 185–190.
2 FRANS SMIT/ARNOUD GLOUDEMANS/RIENK JONKER, ARCHIVES IN LIQUID TIMES, STICHTING ARCHIEFPUBLICATIES DEN HAAG 2017.